Repräsentativität am Beispiel von Sextraum-Umfrage von PETRA

Alexander Trust, den 23. November 2006
Kommentar
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Sextraum-Umfrage repräsentativ?

Die Wochenzeitung Die Welt berichtet in ihrer Onlineausgabe über eine vermeintlich repräsentative Umfrage der Zeitschrift Petra zum Thema Sexträume. Die Tatsache, dass man bei 1.072 Befragten von Repräsentativität sprechen kann, lässt einen die Stirn in Falten legen.

Die Sextraum-Umfrage wurde von der GEWIS durchgeführt. Die Organisation bietet Medienschaffenden an, sich für wenige hundert Euro ein paar Fragen kaufen zu können, die dann bei regelmäßig stattfindenden Telefoninterviews über Call-Center abgefragt werden, zusätzlich zu dem eigentlichen Korpus an Fragen.

Wie teuer ist Repräsentativität?

Die GEWIS bietet ihre Dienste bereits für 600 Euro an, wie man auf der Website einsehen kann. „Eine“ Frage mit acht Antwortmöglichkeiten kriegt man dafür. Die Ergebnisse werden aufbereitet. Die zweite, dritte und weitere Fragen kosten jeweils nur noch 400 Euro. Individuelle Wünsche sind nach Absprache ebenfalls möglich. Die Frage ist, wie viel gibt – wie viel kann eine Zeitschrift wie die PETRA für eine Umfrage ausgeben? Und „wie viel“ Wert haben die Ergebnisse? Auch ohne Interview mit den Verantwortlichen lassen sich Indizien sammeln, wenn man anhand der Antworten die möglichen gestellten Fragen rekonstruiert.

Frauen träumen circa fünf Mal im Monat erotisch, Männer circa drei Mal so oft. Wenn ein Monat 30 Tage hat, müssten Männer jeden zweiten Tag einen erotischen Traum haben. Jeder männliche Leser kann für sich selbst entscheiden, ob er demzufolge das richtige Geschlecht trägt, oder nicht. Die Frage zu dieser potenziellen Antwort kann man sich leicht dazu denken. Die Antwort weist aber durchaus auf Ungereimtheiten hin. Anderen, und durchaus repräsentativeren Umfragen zufolge, leiden in Deutschland unheimlich viele Leute unter Schlafstörungen. Zum entspannten und auch erotischen Träumen ist ein gesunder Schlaf jedoch eine notwendige Voraussetzung.

Im Grundstudium Sozialwissenschaften klärt man Studenten bereits darüber auf, wie wichtig die Art der Fragestellung ist, in Kombination mit den vorhandenen Antworten. Wenn Kategorien angegeben werden mit einer Häufigkeit „bis“, dann bleibt den Betreffenden nichts anderes übrig, als manches Mal eine Milchmädchenrechnung als ihre eigene Antwort gelten zu lassen.

Männer schneiden auf

Zudem gibt es Studien, die gerade in diesem Bereich, der erotischen Themen von Befragungen einen Unterschied im Antwortverhalten von Männern und Frauen festgestellt haben. Männer schneiden häufiger auf, sie neigen zu Übertreibungen. Resultieren tut das, zumindest den Erklärungen nach, aus den Anforderungen an männliches Rollenverhalten. Männer und Frauen müssen sich anpassen.

Sexträume von Frauen seien subtiler, heißt es der Umfrage zufolge. Wie interpretiert man das Wort „subtil“? Es bedeutet feinsinniger. Laut den Befragten – und hier kommt ein weiteres Fragezeichen hinzu – sind Frauen schon durch Eindrücke wie Farben, Töne, Stimmungen oder Gesten erregt. Damit eine Umfrage ausgewogen ist, sollten gut 50% Männer und 50% Frauen daran teilnehmen. Dass die GEWIS derlei Rahmenbedingungen sicherstellt, sollte in ihrem eigenen Erkenntnisinteresse liegen. 1072 Frauen zwischen 29 und 35 Jahren habe die GEWIS ausgefragt. Eine sehr enge Gruppe von Befragten, offensichtlich eine, die der Zielgruppe der Leserschaft von Petra entsprechen soll.

Zu beliebten Motiven der erotischen Träume der befragten Frauen zählen der geheimnisvolle Fremde im Taxi, oder Sex vor Zuschauern.

Berichterstattung lückenhaft

Bei der Berichterstattung der Wochenzeitung Die Welt bleibt unklar, ob auch Männer befragt wurden, und so stellt sich jedes Mal die Frage, wie die entsprechenden Antworten oder Aussagen über die Sexträume von Männern zustande kamen. Eine entsprechende Anfrage ist noch nicht beantwortet worden. Eine Ausgabe der Illustrierten liegt nicht vor. — Weiterhin heißt es, dass sich jeder vierten Frau aus dem Kreis der Befragten schon einmal ein Traum in der Realität erfüllte. Ganz allgemein empfinden die Befragten Frauen Sexträume als wichtig. 86% sehen geheime Botschaften darin verschlüsselt.

Überschlägt man die bei Die Welt angegeben Themen, kommt man insgesamt auf 5 Fragen, die die Zeitschrift Petra in Auftrag gegeben haben könnte. Vielleicht hat diese Umfrage das Budget der Illustrierten um ca. 2500 Euro erleichtert. Verglichen mit den Kosten für wissenschaftlich fundierte Empirie ein Klacks. Die Aussagekraft der Ergebnisse wirkt zweifelhaft.

Update vom 4. Oktober 2018:

Die Gesellschaft für Erfahrungswissenschaftliche Sozialforschung (GEWIS) gibt es nicht mehr.


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