Schufa: Justiz- und Verbraucherminister laufen Sturm gegen Datensammlung auf Facebook und Twitter

Alexander Trust, den 7. Juni 2012
Schufa Eingangsbereich Wiesbaden-Schierstein
Schufa Eingangsbereich Wiesbaden-Schierstein

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) laufen Sturm gegen das derzeit laufende Projekt der Schufa, Daten von Twitter- und Facebook-Nutzern zu sammeln und sie unter anderem zur Ermittlung der Kreditwürdigkeit der Betroffenen einzusetzen. Auch weitere Informationen, die über Soziale Netzwerke verbreitet werden, sollen ausgewertet werden und dadurch beispielsweise Rückschlüsse auf die Zahlungsmoral der Nutzer gezogen werden.

Gegenüber dem Spiegel gibt Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger ihre Bedenken preis, Facebook- und Twitter-Nutzer zu durchleuchten und auf dieser Basis Infos über die Nutzer zu generieren, die sie unter anderem daran hindern könnten, Verträge und dergleichen abzuschließen.

„Es darf nicht sein, dass Facebook-Freunde und Vorlieben dazu führen, dass man zum Beispiel keinen Handy-Vertrag abschließen kann.“
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

Vollständige Offenlegung der Pläne gefordert

Die Ministerin verlangt, dass die Wirtschaftsauskunftei ihre Pläne komplett offenlegt und die Einstufung der Zahlungsfähigkeit vollständig dargelegt werden.

„Die Schufa und andere Auskunfteien sollten umfassend ihre Vorhaben, die Facebook-Daten zur Bonitätsprüfung zu benutzen, offenlegen. Welche Daten dazu führen, ob jemand als zahlungsfähig eingestuft wird, ist jetzt schon umstritten. Die Einstufung der sogenannten Zahlungsfähigkeit muss endlich vollständig nachvollziehbar werden.“
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle ist der Meinung, dass das Schufa-Vorhaben eindeutig zu weit geht. Freundeskreis und Privatsphäre von Facebook-Nutzern dürften nicht von anderen missbraucht oder für irgendwelche Zwecke ausgewertet werden. Der Plan der Auskunftei zeige noch einmal deutlich, wie wichtig es sei, sorgsam mit seinen Daten umzugehen, so Brüderle.

„Die Pläne der Schufa gehen zu weit. Soziale Netzwerke gehören wie der Freundeskreis zur Privatsphäre und dürfen daher nicht von der Schufa angezapft werden.“
Rainer Brüderle

„Schufa darf nicht Big-Brother werden“

Auch Verbraucherministerin Ilse Aigner verlangt von der Schufa, sämtliche Details ihres Forschungsvorhabens offenzulegen. Die Schufa dürfe nicht zum Big Brother des Wirtschaftslebens werden, sagt die Ministerin.

„Die Schufa muss die Karten auf den Tisch legen. Ich erwarte vollständige Aufklärung über die Hintergründe und Ziele dieses Forschungsauftrags. Die Schufa darf nicht zum Big Brother des Wirtschaftslebens werden.“
Ilse Aigner

Kaffeessatzleserei mit unabsehbaren Folgen

Für den Bundesbeauftragten für Datenschutz Peter Schaar ist die Einhaltung bestehender (Datenschutz-)Gesetze das wichtigste. Auch er warnt davor, unbedacht mit seinen persönlichen Daten umzugehen, da diese für andere Zwecke missbraucht werden könnten.

Grünen-Politiker Konstantin von Notz sieht den Schufa-Plan als verfassungswidrig an. Er fordert die Schufa und das gemeinsam mit der Auskunftei forschende Plattner-Institut dazu auf, das Vorhaben sofort einzustellen.

„Wir fordern sowohl die Schufa als auch das Plattner-Institut auf, das Projekt sofort einzustellen. [Die Pläne der Schufa gleichen] unternehmerische Kaffeesatzleserei mit unabsehbaren Folgen.“
Konstantin von Notz

Von Galgenhumor bis Unverständnis in der Blogosphäre

Medien-Anwalt Udo Vetter twittert ironisch, dass er seine Einkommensteuervorauszahlung pünktlich überwiesen habe und richtet sich mit dem Hashtag #Schufa-Schleimtweet an die aktuelle Diskussion zum Thema. Auf Twitter war der Hashtag #Schufa heute Mittag sehr weit oben im Trend-Ranking zu finden.

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Ebenfalls einen humorigen Interpretationsansatz verfolgt der Postillon. Dort hat man sich hypothetisch Gedanken darüber gemacht, welche Angaben zu Hobbies bei Facebook, oder beispielsweise das Vorhandensein eines Premium-Accounts bei Xing, für einen Einfluss auf den „Basisscore“ von Person X bei der Schufa haben könnte.

Kristian Köhntopp sieht der Schufa bei Gelingen des Projekts die Fälle davon schwimmen, und interpretiert das Thema vor allem aus technischer Perspektive. Denn es ginge dabei gar nicht um die Schufa, betont Köhntopp. Die Analyse von öffentlich verfügbaren Daten kann man heutzutage schließlich schon mit Mobiltelefonen und Internetanschluss selbst erledigen. Ganz anderer Meinung ist Thomas Stadler, der vor allem die bisherigen, nicht öffentlich einsehbaren Daten der Schufa als ihren größten Schatz interpretiert. Mit den möglicherweise aus Sozialen Netzwerken hinzugewonnenen Daten würde die Schufa ihren eigenen, sehr kostbaren Datenbestand nur erweitern, sich selbst aber nicht überflüssig machen.

NDR ist boulevardesk

Ursprung des ganzen Themas war ein Beitrag des NDR. Thomas Knüwer wirft der öffentlich-rechtlichen Anstalt vor, geil auf eine Exklusivmeldung gewesen zu sein, und dabei das Thema aus den Augen verloren zu haben. Knüwer argumentiert, dass noch gar nicht feststeht, ob die Schufa die Daten überhaupt nutzt. Ziel des Projektes mit der Universität Potsdam sei es, gerade das herauszufinden. Vielleicht, so Knüwer, stellt sich am Ende heraus, dass die Schufa die Daten von Facebook gar nicht wirklich sinnvoll verwenden kann. Bei Nerdcore jedenfalls sieht man diese Aufgabe, Social-Media-Daten auszuwerten als „Spaß“ an (this will be fun!).

Knüwer indes geht noch weiter: Er weist darauf hin, dass anstelle des aufgeheizten Boulevard-Klimas vor allem eine Diskussion darüber nötig sei, welche von unseren öffentlich zugänglichen Daten von wem, zu welchem Zweck verwendet werden dürfen. Denn klar ist, die Schufa wird (hoffentlich) nicht hingehen, und Daten ausspähen, sondern muss mit genau den Informationen auskommen, die Nutzer für Jedermann im Internet öffentlich zugänglich bereitstellen.

Schufa-Bait?

Schon jetzt gibt es Felder wie die Suchmaschinen-Optimierung (SEO) und das Marketing in „Sozialen Medien“ (SEM). Für die Forschungsmafia ist klar, dass zukünftig dann vermehrt Inhalte in Sozialen Netzwerken für die Schufa optimiert würden, um seiner virtuellen Identität ein kreditwürdiges Äußeres zu verpassen. Doch Hadmut Danisch erkennt darüber hinaus auch eine Gefahr für die Meinungsfreiheit. Sollte die Schufa tatsächlich ein tragfähiges Konzept in Zusammenarbeit mit der Universität Potsdam entwerfen, könnte das am Ende zu einer Anonymisierung von Meinung im Netz führen. Personen würden nur noch unter Synonymen ihre Meinung äußern wollen, weil das einmal Geschriebene ihnen vielleicht negativ bis ans Lebensende nachhängt. Das allerdings ist keine wirklich neue Einsicht. Denn schon jetzt durchforsten Personaldienstleister das Web nach Informationen, ehe sie eine Person einstellen. Verkürzt dargestellt: Einer ganzen Generation ist das seit den Tagen von StudiVZ egal geworden.


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