Google wird Patent zur Gesichtserkennung in Videos nach 4 Jahren gewährt

Alexander Trust, den 4. Juli 2012
Larry Page mit den Google Glasses in London, Foto: Jason Mayes
Larry Page mit den Google Glasses in London, Foto: Jason Mayes

Ein Patent zur Gesichtserkennung in bewegten Bildern hat Google schon im Jahr 2008 anmelden wollen. Das US-Patentamt hat dem Antrag am 3. Juli 2012 offenbar entsprochen. Das Dokument wurde nun auch online veröffentlicht. Dabei hat Google sich die Technologie patentieren lassen, aus Einzelbildern aus unterschiedlichen Perspektiven Cluster an Daten zu erzeugen, die zur Auswertung von Gesichtern verwendet werden.

Auf diese Weise will Google dann Gesichter in Videos erkennen, selbst wenn die Beleuchtung der Bilder nur unzureichend ausfällt, oder für das Auge schnelle Bewegungen eine Identifizierung für gewöhnlich erschweren.

Tagging und Augmented Reality?

Als mögliche Anwendungsfelder sieht Jon Fingas beispielsweise das Tagging, das eine soziale Komponente in Social Networks wie Facebook oder Flickr darstellt. Nutzer könnten Personen identifizieren und so helfen, Gesichtsdaten in Videos zu erkennen.

Als zweites Anwendungsfeld sieht Fingas die erweiterte Realität. Wann immer man mit seinem Smartphone oder einer Kamera Personen in der freien Wildbahn aufnimmt, könnten einem Informationen zu diesen angezeigt werden, falls vorhanden, ganz ähnlich wie es in Ubisofts kommendem Videospiel Watch Dogs passiert, das man auf der E3 2012 vorgestellt hatte. Wenn man bei Google an Augmented Reality denkt, dann kommt einem aber auch die Cyber-Brille „Project Glass“ in den Sinn.

Kommentar

Während man als „einzelner“ Heimanwender den Nutzen solcher Meta-Informationen durchaus zu schätzen weiß, bringen solche Ideen zusätzliche Herausforderungen mit sich, die derzeit noch niemand bemessen kann. In Europa beispielsweise haben sich vielerorts Regierungen aber auch einzelne Hausbesitzer gegen die Indexierung ihrer Häuser in Kartenmaterial für Googles StreetView ausgesprochen. Manchen war es egal, andere befürworteten es sogar. Google hatte zunächst alle Häuser aufgenommen, es mussten erst Hausbesitzer vor Gericht erstreiten, dass ihre Häuser unkenntlich gemacht würden, weil sie niemals die Zustimmung dazu gegeben haben.

Wie privat ist privat?

In diesem Fall wird man, wird Google, werden die Menschen mit ähnlichen Kompetenzschwierigkeiten zu tun bekommen, nur dieses Mal betrifft es die Personen direkt. Während es lustig ist, festzustellen, dass der Kumpel nicht gelogen hat, als er sagte, er sei auf der Bühne beim letzten Rock-Konzert von X gewesen, ist diese Information grundsätzlich zunächst einmal privater Natur gewesen, und niemand hätte es gewusst, außer den Freunden, denen man es erzählte und den vielen Konzertbesuchern, die sich aber untereinander nicht kannten und mit der Information nichts anzufangen wussten.

Verbrecherkartei

Wenn zukünftig Videodaten ausgewertet werden, auch im großen Stil, dann wird man noch über viele Gerichtsverfahren stolpern. Was Vielen nicht bewusst ist, ist die Tatsache, dass sie so dem System helfen, Daten zu speichern. Privat „getaggte“ Personen in Videos werden über Kurz oder Lang in Datenbanken (zur Verbrechensbekämpfung) landen. Während das System dies ganz natürlich als positiv verkauft, wird es auch zu Irrtümern kommen, die am Ende Unschuldige in Misskredit bringen. Bei Facebook wurden lange Zeit Personen getaggt, ohne dass sie ihr Einverständnis dazu gegeben hatten, erst nachträglich wurde eingeführt, dass die Betroffenen zustimmen müssen. Wenn aber die Betroffenen gar nicht im Social Network drin sind, dann kriegen sie auch keine Meldung und können sich nicht „wehren“.

Headhunter, Stalker und Syndikate

Darüber hinaus werden sich noch weitaus mehr Informationen mit einer Person in Einklang bringen lassen als bisher. Es würde mich nicht wundern, wenn bei Vorstellungsgesprächen in 5 Jahren dann Kameras im Raum sind, die Personal-Entscheidern noch mehr Informationen zu einer Person verraten, und die Menschen Chancen verbauen, die noch gar keine Möglichkeit hatten, sich zu erklären.

Darüber hinaus sind solche Daten nicht nur für die eine Seite der Gesellschaft wichtig. Stalker werden mit ihren Google-Brillen eine völlig neue Dimension erkennen und auch das organisierte Verbrechen wird die überall zusammengetragenen Daten für seine Zwecke zu nutzen wissen.

Medienkompetenz nicht vorhanden

Es ist naiv zu glauben, dass Technologien a) immer fehlerfrei funktionieren, dass b) Menschen sie immer richtig bedienen und dass c) immer nur Gutes im Schilde geführt wird. Vor diesem Hintergrund muss man Technologien nicht verteufeln – ich wäre der letzte, der das tut. Allerdings zeigt unser Leben heute, dass wir weit davon entfernt sind ein Gros der Gesellschaft mit genügend Medienkompetenz ausgestattet zu haben, um bereits mit der heutigen Technologie „verantwortungsbewusst“ umgehen zu können. Wenn Business-Angels und StudiVZ-Gründer wie Ehssan Dariani, also die angeblich geistige und wirtschaftliche Elite des Landes, wildfremden Mädchen Anfang 2000 in der Berliner U-Bahn nachsteigen und das auf YouTube festhalten, dann weiß man, wo das enden wird. Nur dann hat man aber bereits all jene vergessen, die sich heutzutage schon nicht mehr frei im Web bewegen können, beispielsweise nicht mehr in ein Forum einloggen können, weil der Betreiber die Software verändert hat, die „Cookies“ ein erneutes Anmelden aber nicht mehr erlauben und weil der Endverbraucher aber nicht weiß, was es bedeutet, den Browsercache zu löschen.


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